Mitschuld am Verkehrsunfall: Unausweichlich für Autofahrer?

Von Anh P.

Letzte Aktualisierung am: 5. Januar 2024

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Die Schuldfrage ist oft komplex

Nach einem Unfall wird Mitschuld oft auf Kfz-Fahrer projiziert, wenn Fußgänger oder Fahrradfahrer involviert waren.
Nach einem Unfall wird Mitschuld oft auf Kfz-Fahrer projiziert, wenn Fußgänger oder Fahrradfahrer involviert waren.

Autounfälle entstehen oft, weil Verkehrsteil­nehmer fahrlässig oder absichtlich gegen die Regeln im Straßenverkehr verstoßen. Doch nicht immer lässt sich die Schuld einfach auf einen bestimmten Fahrer schieben. Es häufen sich die Fälle, in denen auch demjenigen, der den jeweiligen Verkehrsunfall nicht zu verantworten hat, eine Mitschuld zugesprochen wird.

Dieser Ratgeber geht dem Mythos auf den Grund, dass Autofahrer bei Verkehrsunfällen grundsätzlich eine Mitschuld tragen.

Auch werden einige aktuelle Gerichtsurteile zur Thematik beleuchtet und somit eine Übersicht dargestellt, welche zeigt, auf welche Art und Weise sich Mitschuld äußern kann. Diese Informationen können Personen bezüglich ihres Verhaltens im Verkehr eine Hilfestellung bieten und so dazu führen, Fälle von Mitverschulden zu vermeiden.

FAQ: Mitschuld

Was ist bei einem Unfall mit „Mitschuld“ gemeint?

Dies bedeutet, dass nicht nur eine Partei die Schuld daran trägt, dass es zum Unfall kam. Auch der geschädigte Fahrer kann zu gewissen Teilen dazu beigetragen haben und hat daher eine sogenannte Mitschuld.

Wie lässt sich klären, ob eine Mitschuld vorliegt?

Es empfiehlt sich in einem solchen Fall, die Polizei zum Unfallort zu rufen, damit die Beamten den Unfallhergang rekonstruieren können. Auf diese Weise lässt sich feststellen, wer wie viel Schuld daran trägt, dass es gekracht hat. Auch ein Kfz-Gutachten kann hilfreich sein.

Welche Urteile gibt es zum Mitverschulden?

Eine Auflistung diverser Urteile zur Mitschuld finden Sie hier.

Das betriebsbedingte Risiko und die Mitschuld bei einem Unfall

Kfz-Fahrern die mit anderen Verkehrsteilnehmern in einen Unfall geraten sind, wird häufig eine Mitschuld zugesprochen. Diese Betrachtung resultiert aus § 7 Absatz 1 des Straßenverkehrsgesetzes. Darin steht:

Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs oder eines Anhängers, der dazu bestimmt ist, von einem Kraftfahrzeug mitgeführt zu werden, ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen.

Diese Mit- bzw. Teilschuld wird Autofahrern vor allem dann zugesprochen, wenn Sie nicht beweisen können, dass die alleinige Schuld beim Gegner liegt (und damit den sogenannten Anscheinsbeweis widerlegen). Es folgen zwei mögliche Szenarien zur Veranschaulichung:

  • Sie sind auf Ihren Vordermann aufgefahren. In einem solchen Fall werden Sie häufig dem Anschein nach beurteilt werden, welcher vermuten lässt, dass Sie unaufmerksam waren oder den Sicherheitsabstand nicht beachtet haben. Hier ist es möglich, die Schuld auf eine Teil- bzw. Mitschuld zu reduzieren. Dafür muss jedoch bewiesen werden, dass der Vordermann sich willkürlich verhalten hat (dass er beispielsweise unerwartet gebremst hat, ohne Licht gefahren ist oder ähnliches).
  • Nach dem Öffnen der Autotür kommt es zu einem Unfall mit einem Fahrradfahrer. Der Anscheinsbeweis erweckt den Eindruck, dass Sie beim Öffnen der Tür den rückwärtigen Verkehr nicht beachtet bzw. ohne notwendige Sorgfalt gehandelt haben. Können Sie nachweisen, dass die Tür bereits offen war, bevor der Radfahrer damit kollidiert ist, kann die Schuld auf eine anteilige Mitschuld reduziert werden.
Es zeigt sich: Bei Unfällen kommen Autofahrer oft nur schwer oder gar nicht um eine Mitschuld herum. Der Gesetzgeber erwartet von den Fahrzeugführern eine besondere Umsicht im Straßenverkehr.

Urteile zur Mitschuld

Im Jahr 2013 verurteilte das Amtsgericht München (Aktenzeichen 332 C 32357/12) nach dem Grundsatz der Betriebsgefahr einen LKW-Besitzer zur Mitschuld und dadurch zur 25-prozentigen Mithaftung.

Über Mitschuld wird oft im Gerichtsaal entschieden.
Über Mitschuld wird oft im Gerichtsaal entschieden.

Dieser hatte seinen Lastkraftwagen in zweiter Reihe geparkt und dadurch laut Gericht die übrige Fahrbahn so beschnitten, dass diese erheblich verengt gewesen ist. Beim Vorbeifahren touchierte ein anderes Fahrzeug den geparkten LKW.

2014 klagte ein Rechtsanwalt (Aktenzeichen 345 C 22960/13) gegen eine Frau, die unerwartet vor ihm bremste, wodurch es zu einem Auffahrunfall kam.

Der Anwalt forderte im Gerichtsaal 100-prozentige Haftung von seiner Gegnerin. Das Gericht wies die Klage ab, gab der Frau jedoch eine gewisse Mitschuld am Verkehrsunfall. Sie musste 30 Prozent Mithaftung tragen. Auch hier wurde wieder der Anscheinsbeweis heranzogen. So urteilte der Richter: Die Bremsung ohne zwingenden Grund (die Frau dachte, dass sie sich verfahren hatte) trägt ohne Zweifel zum Unfallgeschehen bei.

Nicht nur ist es für Verkehrsteilnehmer oft sehr schwer, gegen den Anscheinsbeweis anzukommen und eine Mitschuld abzuwenden. Das Verkehrsunfallrecht ist generell sehr komplex. Daher sollten Betroffene in schwierigen Fällen unbedingt Hilfe bei einem Rechtsanwalt für Verkehrsrecht suchen. Dieser kann auch zu komplexen Problemen eine kompetente Einschätzung vornehmen.

Über den Autor

Autor
Anh P.

Anh hat eine journalistische Ausbildung absolviert und verstärkt unsere Redaktion seit 2018. Ihre Ratgeber befassen sich u. a. mit Verkehrsverstößen, Fragen zum Bußgeldverfahren und Tipps zur Fahrzeugpflege. Außerdem verfasst sie Pressemitteilungen und unterstützt uns als Lektorin.

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